-- PUSHKINS WORLD --
Author: Viktor von Scheffel
 

Lied des Katers Hiddigeigei

Wenn im Tal und auf den Bergen
Miternächtig heult der Sturm
Klettert über First und Schornstein
Hiddigeigei auf zum Turm

Einem Geist gleich steht er oben
Schöner als er jemals war
Feuer sprühen seine Augen
Feuer sein gesträubtes Haar

Und er singt in wilden Weisen
Singt ein altes Katerschlachtenlied
Das wie fern Gewitterrollen
Durch die sturmdurchbrauste Nacht zieht

Nimmer hören ihn die Menschen
Jeder schläft in seinem Haus
Aber tief im Kellerloche
Hört erblassend ihn die Maus

Und erkennt des Alten Stimme
Und sie zetert, und sie weiss
Fürchterlich in seinem Grimme
Ist der Katerheldengreis:

Von des Turmes höchster Spitze
Schau' ich auf die Welt herein
Schaue auf erhabnem Sitze
In das Treiben der Partein

Und die Katzenaugen sehen
Und die Katzenseele lacht
Wie das Völklein der Pygmäen
Unten dumme Streiche macht

Doch was nützt's? Ich kann den Haufen
Nicht auf meinen Standpunkt ziehen
Und so lass ich ihn denn laufen
's ist wirklich nicht schad um ihn

Menschentun ist ein Verkehrtes
Menschentum ist Ach und Krach
Im Bewusstsein ihres Wertes
Sitzt der Kater auf dem Dach!

O die Menschen tun uns unrecht
Und den Danck such' ich vergebens
Sie verkennen ganz die feinen
Saiten unseres Katzenlebens

Und wenn einer schwer und schwankend
Niederfällt in seiner Kammer
Und ihn morgens Kopfweh qäulet
Nennt er's einen Katzenjammer

Katzenjammer, o Injurie!
Wir miauen zart im Stillen
Nur die Menschen hör' ich oftmals
Graunhaft durch die Strassen brüllen

Ja, sie tun uns bitter unrecht
Und was weiss ihr rohes Herze
Von dem wahren, tiefen, schweren
Ungeheuren Katzenschmerze?
 
 
Zurueck/Back Pushkins World Mainpage Pushkins World Library Weiter/Forward